Jahrhundert Katastrophe in der Pfalz: Mindestens 63 Tote – Tausende Vermisste

Hochwasser in der Pfalz
Symbolbild Foto: Hawedi, CC BY-SA 3.0 wiki

Die Zahl der Todesopfer bei der Hochwasserkatastrophe im nördlichen Rheinland-Pfalz ist auf 63 gestiegen. Dies teilte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Freitag nach einer Sondersitzung des Kabinetts in Mainz mit.

Die Lage ist nach den Worten von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) «weiterhin extrem angespannt». Innenminister Roger Lewentz (SPD) erwartet, dass bei den Bergungsarbeiten weitere Tote gefunden werden.

«Das Leid nimmt auch gar kein Ende», sagte Dreyer am Freitagmorgen bei einem Besuch der Berufsfeuerwehr in Trier. Die Zahl der Toten steige weiter. Überall gehe jetzt das Wasser zurück, daher würden nun Menschen gefunden, die bei der Katastrophe ertrunken seien. «Und da könnte man eigentlich nur noch weinen. Das ist ein Horror.» Viele
Bewohner seien in ihrer Existenzen berührt.

Am härtesten traf es den Kreis Ahrweiler. Betroffen sind auch andere Teile der Eifel, der Kreis Trier-Saarburg und in Trier vor allem der Stadtteil Ehrang. Dort war am Donnerstag der Moselzufluss Kyll über die Ufer getreten und hatte große Teile des Stadtteils überschwemmt. Etwa 1000 Bewohner von Ehrang wurden in Sicherheit gebracht. Ein
Altenheim und ein Krankenhaus mussten evakuiert werden. Die Stromversorgung ist unterbrochen. Das Wasser fließe in Trier-Ehrang zügig ab, sagte der Chef der Trierer Berufsfeuerwehr, Andreas Kirchartz, am Freitag. «Es werden immer mehr Straßen frei.» Bevor die Menschen zurück könnten, müssten die Häuser von Statikern geprüft werden, sagte Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD).

Auch in dem besonders vom Hochwasser heimgesuchten Dorf Schuld im Ahrtal mit sechs eingestürzten und vielen beschädigten Häusern werde weiter mit Hochdruck nach Vermissten gesucht, sagte der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Adenau, Guido Nisius (CDU). Wie viele Menschen  in Adenau ums Leben gekommen seien, könne er noch nicht sagen.

«Wir haben immer noch Dörfer, die wir kaum erreichen können», sagte Lewentz. «Das heißt, schweres Hilfsgerät kann noch gar nicht zugeführt werden.» Wasser- Gas-, und Stromversorgung sowie das Telefonnetz seien vielerorts unterbrochen und zerstört.

In den Hochwassergebieten in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz sind auch mehr als 800 ehrenamtliche Helfer der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) im Einsatz. «Für unseren Verband ist das eine der größten Herausforderungen in seiner Geschichte», sagte DLRG-Präsident Achim Haag. Die Helfer würden von Wasserrettungseinheiten aus Niedersachsen, Hessen und dem Saarland unterstützt.

Auch am Freitag waren noch zahlreiche Strecken und Bahnstrecken gesperrt oder nur eingeschränkt zu befahren. «Die Wassermassen haben Gleise, Weichen Signaltechnik, Bahnhöfe und Stellwerke in vielen Landesteilen von NRW und Rheinland-Pfalz stark beschädigt», teilte die Deutsche Bahn mit.

Die Wetterlage hat sich inzwischen entspannt. Es bleibt aber wechselhaft, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte. Daher könne es auch weiter zu örtlichen Gewittern mit Starkregen kommen. Erst am Wochenende sollen die Niederschläge aufhören.

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MINDESTENS 1300 VERMISSTE:

Nach der schweren Hochwasserkatastrophe werden im Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler 1300
Menschen vermisst. Das teilte die Kreisverwaltung am Donnerstagabend mit. Eine Sprecherin erklärte, das Mobilfunknetz sei lahmgelegt – und daher gebe es keinen Handy-Empfang und viele Menschen seien nicht erreichbar. «Wir hoffen, dass sich das klärt», sagte sie zu der hohen Zahl. Zugleich teilte der Kreis mit, dass es weitere Todesopfer gebe.
Zahlen wollte die Sprecherin dazu noch nicht nennen.

Nach wie vor seien über 1000 Angehörige von Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr, THW, DRK und weiterer Katastrophenschutzeinheiten aus weiten Teilen von Rheinland-Pfalz, dem südlichen NRW sowie dem angrenzenden Baden-Württemberg im Einsatz. «Weitere Einsatzkräfte, unter anderem Sanitäts- und Transporteinheiten sowie Kräfte der Bundeswehr, wurden nachgefordert».

Es werde intensiv an der Wiederherstellung der Strom-, Gas- und Wasserversorgung gearbeitet. Das THW beispielsweise bereite den Aufbau von Trinkwasseraufbereitungsanlagen vor.

Rund 3500 Menschen seien aktuell in mehreren Betreuungseinrichtungen im gesamten Kreisgebiet untergebracht. Alle kreiseigenen Schulen bleiben am Freitag geschlossen.

Die Zahl der vermissten Menschen nach der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz ist weiterhin unklar. «Das Handynetz ist zum großen Teil noch nicht funktionsfähig», sagte der
Koblenzer Polizeisprecher, Ulrich Sopart, am Freitag. Es sei auch davon auszugehen, dass eine Reihe von Menschen mehrfach vermisst gemeldet wurden. Genau lasse sich das noch nicht sagen. Mehr als 50 Menschen seien ums Leben gekommen. «Ich befürchte, die Zahl wird sich noch erhöhen.»

Noch immer würden Menschen gerettet, sagte Sopart. Schwerpunkte der Einsätze seien die Orte Schuld, Insul und Ahrbrück.

POLIZEI WARNT VOR EINREISE IN DIE PFALZ

Die Polizei in Koblenz hat davor gewarnt, in die von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Regionen zu fahren. «Bitte fahrt nicht in das Katastrophengebiet, um selbst nach Angehörigen zu suchen oder Hab und Gut zu sichern», teilte sie am späten
Donnerstagabend per Twitter mit. «Ihr bringt Euch sonst selbst in Gefahr und behindert ggf. die Rettungsmaßnahmen! Bitte meidet das Gebiet weitläufig!»

BUNDESWEHR WIRD EINGESETZT

Die Bundeswehr soll der Hilfe nach der Unwetterkatastrophe im Westen Deutschland nun Vorrang vor anderen Aufgaben geben. «Jetzt kommt es darauf an, geeignetes Material aus
der ganzen Republik bereit zu stellen. Hierzu habe ich bereits angeordnet, dass alle anderen Aufträge, die nicht unmittelbar mit den Auslandseinsätzen verbunden sind, hintangestellt werden», teilte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Freitag mit.

VIELE MENSCHEN OBDACHLOS

Für Menschen, die ihre Wohnungen und Häuser verloren haben, seien Unterkünfte eingerichtet worden. Wie viele Menschen durch das verheerende Unwetter obdachlos geworden sind, lasse sich aber noch nicht abschätzen. /dpa